Lockere Sonntagsöffnungszeiten erhitzen die Gemüter

Sonntags­öffnungszeiten

Der Sonntag spaltet die Gemüter. Die einen wollen ihn strikt zur arbeitsfreien Zone erklären, die anderen hoffen auf stärkere Umsätze im Einzelhandel. In Berlin wird nach wie vor heiß debattiert.

Sonntagsarbeit – ohne geht es nicht

„Ohne Sonntag gibt’s nur noch Werktage.“ Schon Ende der 1990er Jahre machte die Evangelische Kirche in Deutschland auf die Wichtigkeit des arbeitsfreien Sonntags aufmerksam. Dabei wird natürlich auf die Schöpfungsgeschichte Bezug genommen. Gott ruhte am siebenten Tag nach getaner Arbeit – und so soll es auch der Mensch tun.

Dass dies in unserer technologisierten Welt nicht immer möglich ist, scheint klar zu sein. Viele Fertigungsbetriebe lassen im Schichtsystem auch an den Wochenenden produzieren. Doch auch andere Berufsgruppen können am Sonntag nicht einfach freinehmen. Dazu zählen zum Beispiel Pfleger in Altenheimen und Krankenhäusern, Polizisten und Feuerwehrleute, aber auch Angestellte im öffentlichen Personennahverkehr. Nicht zuletzt ist die Gastronomie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, in dem es ohne Sonntagsarbeit nicht geht. So stieg die Anzahl der Beschäftigten, die auch Sonntags arbeiten, von 10 Prozent im Jahr 1992 auf 14 Prozent im Jahr 2015.

Lockere Sonntagsöffnungszeiten erhitzen die Gemüter

Das Statistische Bundesamt sieht die Lockerung des Ladenschlussgesetzes als Grund für diesen Trend. Die verkaufsoffenen Sonntage sind vor allem in der Vorweihnachtszeit beliebt, um die Umsätze des Einzelhandels noch einmal kräftig anzukurbeln. Oft wird dem Kunden dann auch etwas ganz Besonderes geboten. Gerade in Kleinstädten finden dann vielfach Lichterfeste und Weihnachtsmärkte statt, an denen auch die Geschäfte geöffnet sind. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Ladenschlussgesetz. Dort sind weiterhin alle Ausnahmeregelungen festgehalten. So dürfen zum Beispiel Apotheken, Tankstellen, aber auch Kioske mit einem bestimmten Angebot generell sonntags öffnen.

Dass das aber nicht immer reibungslos funktioniert, zeigt eine Debatte in Berlin. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2010 musste das Ladenschlussgesetz für die Hauptstadt wieder abgeändert werden. Die Evangelische Kirche klagte dagegen, dass an vier Adventssonntagen die Läden öffnen dürften. Das gilt auch für die „Spätverkauf“ – oder kurz „Späti“ – genannten Kioske in den Szenenbezirken. Diese werden seither regelmäßig kontrolliert, ob sie sich an die Schließzeiten halten.

Gewerkschaft schließt sich der Kirche an

Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di in Berlin-Brandenburg, Susanne Stumpenhusen, hält eine Einhaltung der Sonntagsruhe für unbedingt notwendig: „Sowohl für Verbraucher und Händler als auch für Arbeitnehmer/innen im Handel ist es sinnvoll, die Termine zentral vorzugeben. In dieser Frage sind wir uns einig mit dem Handelsverband Berlin-Brandenburg. Würde jeder Händler selbst entscheiden, an welchen Sonntagen er öffnet, entstünde eine unkontrollierbare Lage, dem zu erwartenden Missbrauch wäre Tür und Tor geöffnet.“

Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, hält dagegen: „Wir sind in der Lage, offene Sonntage ausschließlich mit freiwillig tätigen Mitarbeitern anzubieten. Unsere Tarifverträge schützen Personal, welches Probleme hat, an Sonntagen zu arbeiten.“ Außerdem sieht er in den scharfen Beschränkungen der Sonntagsöffnungszeiten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, der vor allem kleinere Einzelhändler schwer trifft. Ein Ende der Debatte scheint noch nicht in Sicht. Ob diese jedoch zu einer Änderung des Ladenschlussgesetzes führt, ist fraglich.

Sonntagsöffnungszeiten in anderen Ländern

Doch im internationalen Vergleich fällt auf, dass die Lage in der Bundesrepublik gar nicht so ungewöhnlich ist. In Österreich und Griechenland gibt es ein generelles Verbot, Geschäfte am Sonntag zu öffnen. Spanische Ladenbesitzer dürfen am ersten Sonntag eines jeden Monats ihre Waren feilbieten. Die Franzosen und Italiener haben ein ähnliches Reglement wie die Bundesregierung eingeführt: Es gibt eine Obergrenze der verkaufsoffenen Sonntage, die meistens nur zur Weihnachtszeit stattfinden dürfen. In Polen und der Tschechischen Republik kann ein Ladeninhaber jeden Sonntag im Jahr öffnen, wenn es sich nicht um einen Feiertag handelt. Noch lockerer geht es im anglo-amerikanischen Raum zu: Dort gibt es vielerorts nicht einmal unter der Woche Ladenschließzeiten, weswegen die Geschäfte 24/7, also rund um die Uhr an jedem Wochentag, geöffnet sind.