Trendbarometer für Inklusion

Inklusion in der Arbeitswelt

Menschen mit Behinderungen stehen heute vielfältige Bildungswege offen. Doch trotz Hochschulabschluss oder Meisterbrief sind viele von ihnen arbeitslos. Warum ist das so und was kann man dagegen tun?

Einer Arbeit nachzugehen, hilft vielen Menschen dabei, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Es stärkt das Selbstvertrauen und die gegenseitige Wertschätzung. Wenn der Beruf nicht nur als Job wahrgenommen wird, sondern einer Berufung gleichkommt, kann er sogar entscheidend zu einem erfüllten Leben beitragen. Auch der finanzielle Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Wer sein eigenes Geld verdient, ist unabhängiger und kann sich sein Dasein nach den eigenen Vorstellungen gestalten. Für Menschen mit Behinderungen ist ein erfüllender Beruf oft nach wie vor nur ein Traum. Trotz hoher Qualifikationen finden sie keine Anstellung. Doch woran liegt das?

Barrieren, überall Barrieren

Man könnte annehmen, dass wir in einer vorurteilsfreien Gesellschaft leben – doch die Wahrheit ist erschreckend anders. Denn das Hauptproblem für beeinträchtigte Personen existiert nach wie vor in den Köpfen ihrer Mitmenschen. Vorurteile führen ständig dazu, dass sie benachteiligt werden und verhindern die Inklusion. Das gilt leider auch für den deutschen Arbeitsmarkt. Entsprechende Zahlen veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit Ende letzten Jahres.

So lag im September die Arbeitslosenquote von Menschen mit einer schweren Behinderung bei fast 14 Prozent. Die Zahl der Erwerbslosen ohne Beeinträchtigung ist nur halb so hoch. Schwerbehinderte suchen im Schnitt drei Monate länger nach Arbeit. Wer mehr als ein Jahr ohne Erwerbstätigkeit ist, gilt als langzeitarbeitslos. Die Quote dieser Bevölkerungsgruppe beträgt bei Bürgern mit einem Handicap 45 Prozent. Im Vergleich dazu bleiben nur rund 37 Prozent ohne Behinderung länger als ein Jahr ohne Arbeit. Personen mit einer geistigen Behinderung sind fast vollständig vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Sie arbeiten meist in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.

Trendbarometer für Inklusion

Das „Inklusionsbarometer 2015“ der Aktion Mensch bestätigt die Zahlen der Arbeitsagentur. Etwa zwei Drittel der 500 befragten Unternehmen rechnen aber mit körperlich behinderten Bewerbern. Dabei gibt es regionale Unterschiede: Die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland stellen die meisten Menschen mit Behinderungen ein, Norddeutschland bildet das Schlusslicht. Trotz dessen bleibt die Quote bundesweit im Negativbereich. Nicht einmal unter den Spitzenreitern werden flächendeckend so viele Angestellte mit Handicap beschäftigt, wie ohne.

Auch die Prognose für die nächsten zwei Jahre ist ernüchternd. Nur jedes zehnte Unternehmen plant, weitere beeinträchtigte Mitarbeiter zu verpflichten. Immerhin stellen knapp 80 Prozent der Chefs keine Unterschiede in der Arbeitsleistung fest.

So soll sich die Lage verbessern

Die „Initiative Inklusion“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat es sich zur Aufgabe gemacht, schwerbehinderten Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und inklusive Arbeitswelten zu schaffen.

Dabei stützt sich die Arbeit der Initiative auf drei Pfeiler. Zum einen sollen Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen schon frühzeitig und umfassend über ihre beruflichen Möglichkeiten informiert werden. Für ältere Menschen mit Behinderungen sollen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Ihre dritte Aufgabe sieht die „Initiative Inklusion“ in der Förderung eines besseren Verständnisses bei den verschiedenen Kammern. Darauf aufbauend sollen auch Arbeitgeber erreicht werden. Ziel ist es, Unternehmen die Augen für Einsatzmöglichkeiten von Mitarbeitern mit einem Handicap zu öffnen.

Starke Menschen, starke Geschichten

Schon heute gibt es spannende Tätigkeitsfelder für Menschen mit Behinderungen. Wem das Augenlicht fehlt, hat ein stark geschultes Gehör und nimmt seinen Tastsinn besser wahr. Darum finden blinde Personen oft einen Beruf in der Früherkennung von Brustkrebs oder aber auch beim Radio.

Schon etwas außergewöhnlich ist der Beruf von Bettina Wirth. Sie arbeitet als ehrenamtliche Sanitäterin in Würzburg – mit weniger als zwei Prozent Sehvermögen. Doch ihre Beeinträchtigung stand ihr nie im Weg. Nachdem sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin machte, bekam sie drei Kinder. Als sie ihren zweiten Ehemann kennenlernte, kamen noch zwei weitere dazu, um die sie sich liebevoll kümmerte. Bewundernswert, wie Frau Wirth ihr Leben meistert.

Schwer beeindruckt hat uns auch die Geschichte von Uwe Wulsche. Durch eine Infektion des Rückenmarks wurde er über Nacht gelähmt. Später mussten ihm beide Beine amputiert werden. Trotz dessen absolvierte Herr Wulsche sein Theologiestudium und arbeitete bis zu seinem Tod in diesem Jahr als Seelsorger an einer Berliner Klinik.

Nimm Deine Chancen wahr

Ihnen haben die Geschichten von Bettina Wirth und Uwe Wulsche Mut gemacht, Ihre berufliche Zukunft in die Hand zu nehmen? Es gibt auch in Ihrer Stadt vielfältige Beratungsangebote. Eine Anlaufstelle ist die Bundesagentur für Arbeit. Fragen Sie einfach in der Regionalstelle nach dem Team für Rehabilitation und Schwerbehinderung. Das Aktiosbündnis „My Handicap – My Chance“ hat auf seinen Internetseiten eine Übersicht mit Bewerbungstipps zusammengestellt. Außerdem können Sie sich bei Fragen an die caritativen Einrichtungen wie ASB, Malteser oder Diakonie wenden.